Donnerstag, 20. August 2015

die assembly im himmelbeet


ich habe die food assembly für mich entdeckt: sie sind meine rettung angesichts der vertreibung aus dem garten (wobei vielleicht angemerkt werden sollte, dass an der vertreibung nicht die gärtnerinnen schuld tragen, ganz und gar nicht).

inzwischen kenne ich die schöneberger und die weddinger assembly. letztere findet im himmelbeet statt, dem gemeinschaftsgarten, den ich auf einem meiner streifzüge durch diesen vernachlässigten bezirk gefunden habe: gestern habe ich meine fingerspitzen an anisysop, salbei und melisse gerieben und bin im duftrausch meiner bestellung entgegen getaumelt.








 dabei erinnert der garten ein bisschen an die prinzessinnengärten - sogar noch etwas aufgeräumter. fahrradwerkstatt, reclycing-workshops, bienenkästen, alles hat seinen ort und wirkt wohlorganisiert durch gemeinsam beteiligte. beete gibt es zum pachten und auch nicht. die pflänzchen zum verkauf wirken ebenso bereit für den nächsten garten wie die kreuzberger. Eddie, ein mann mittleren alters, läuft mir mit honiggläsern in der hand entgegen: "frischer honig! unser eigener honig!" er freut sich wie ein bienenkönig.




zwischen den beeten werden neue videobeiträge mit künsterlisch etwas gar ehrgeizigen kameramännern und sympathisch überforderten gärtner*innen gedreht. am zaun hängt ein zettel mit der bitte, während der ferienabwesenheit der beetbesitzer doch mitzugiessen. man sagt sich hallo und die kinder hängen halb auf dem tresen, während sich die bienen am kuchen gütlich tun und im gemeinschaftsgarten eine alte dame die giesskanne schwingt.



Inken führt mich zum rosmarin, den mein kleiner und mein grosser begleiter für ihren fisch bestellt haben: er ist dieses jahr etwas kümmerlich, sagt sie. (ja, er wirkt etwas unausgewachsen und vereinzelt in seinem beet, neben all der fülle - aber er duftet wie ein ausgewachsener baum.) in den nächsten tagen wollen sie mit neuen stecklingen beginnen. das finanzielle für die drei duftenden zweiglein, das sie ablehnt, steck ich ins spendenhuhn.




und dann hole ich mir bei Norbert und seinem ernsthaft-fröhlichen kleinen mitarbeiter von der Luchwirtschaft meine wollschweinbratwürstchen und violette kartoffeln - und staune über den riesigen mangold: Norbert meint, bei ihnen graben die schweine die beete um und düngen sie mit ihrem mist gleich mit - das tut dem silbernen offensichtlich gut.
den mangold hole ich diesmal bei Kerstin vom Gesundheitsgarten Fläming und blicke sehnsüchtig auf die tee- und blumensträusse. Kerstin packt meinen rucola und die gurken dazu und schwärmt davon, wie schön es ist, die ernte vom heutigen tag direkt verkaufen zu können. 
wenn ich jetzt nicht also wieder bald den bezirk verlassen würde, hätte ich bald "meine" bauern beieinander und übermorgen würden der kleine begleiter und ich der kuh ins gesicht gucken, die wir dann essen würden (weil, das gemüse, das würden wir dann auch wieder selber anbauen). 

bis wir weiter ziehen werd ich die zusammenkünfte im himmlischen beet geniessen.





Mittwoch, 19. August 2015

was genau wir tun




der kleine begleiter, der inzwischen gar nicht mehr so klein ist, ist ein informeller lerner. das heisst, er saugt die eindrücke seiner welt auf, sortiert und organisiert (der montessorische ordnungssinn, für den ich ein faible hab), und begegnet in seiner welt aspekten und zusammenhängen, die in schulischen institutionen extrahiert und konzentriert behandelt werden.

wir machen (noch?) kein homeschooling oder freilernen und ich werde mich davor hüten, nonformale, aber dennoch explizite lernsituationen einzurichten.

das, was ich mache, ist das anbieten von entwicklungsmaterialien für seine entdeckungsreise:

der kleine begleiter entdeckt zahlen, zahlenreihen, objekte in mengen, zählt ab und rechnet, misst ab - wir kochen und backen (wie viele prisen salz? 10 esslöffel mehl und 15 teelöffel zucker), schauen aus dem fenster (zwei krähen und eine elster), und wenn es ihn juckt, greift er zu einer rechenkarte und wir legen die rechnung mit den steinchen aus dem rechenkasten.
am meisten rechnen wir aber wohl mit lego... (auf dass ich ein pädagogisches loblied singen könnte) - und beim fussballspielen/-gucken

der kleine begleiter findet buchstaben, im sprechen, beim zuhören, auf der strasse und der verpackung - wir schreiben briefe, auf unseren rücken, beobachten unsere lippen, reimen alles und quatsch, und wenn er mag, suchen wir die fehlenden buchstaben im improvisierten buchstabenkasten und legen die worte. wir sagen "b" und "l" und nicht "be" und "el", wir fächern die unzähligen laute des "e" auf (keine minderheiten, nur vielfalt) und wenn er den einen buchstaben im wort nicht hört, gibts ein rätsel dazu (du fährst nicht auf dem oller, sondern auf dem?).
(die geheime wörterkiste mit den aufgerollten wörtern aus seinem sprachschatz hat ihn noch nicht so erwischt - eine idee, die ich aus einem von maria montesori's büchern hab.)

der kleine begleiter liest etwa zwanzigmal täglich die backofenuhr in reiner zahlenfolge ab - jetzt hängt daneben eine gebastelte uhr mit stunden- und minutenzeiger und farblich entsprechenden ziffern zur übersetzung und zum nachfahren der zurückgelegten strecke im kreis. leider kann er meine minutenziffern nicht so gut entziffern... es ist also noch luft nach oben in unserem lebensatelier.



Montag, 17. August 2015

was wir tun


sonne fangen

buchstaben finden

wörter fischen

 abzählen, aufzählen, unterzählen,

mitzählen

 übersetzen



licht sammeln




wir sind noch da, doch.


Montag, 13. Oktober 2014

wasserreise: vale maggia (II)

Atragena, zarte blaue,
Duftig feine, schöne Fraue,
Schwebend leicht in reiner Höh,
Überm dunkelgrünen See.
Ernst Kreidolf
 ganz so sicher, ob wir oben auf zweitausend meter bei robiei im maggiatal tatsächlich mit atragena bekanntschaft geschlossen haben, bin ich mir nicht. vielleicht sollte ich eines der lernspiele ausprobieren, die der verein ernst kreidolf anhand seiner vor beinah 100 jahren erstellten bilder jetzt auf digitalen wegen anbietet (hier). seine alpenblumenmärchen sind zwar pathetisch-kitschig (aus heutiger sicht zumindest), und in einer poetischen sprache, die wahrscheinlich selbst für erwachsene heute ungewohnt und daher schwierig klingt.
aber der zauber, der im feinen blumenhaar wie tropfen hängt, den findet mensch auch bei ernst kreidolf.




viel zauberhaftes haben wir gefunden dort oben, beim umkreisen des stausees.
 


blaubeeren findet der kleine begleiter und ist sich so sicher im kennen der beere, dass er sich gleich eine pflückt (während wir grossen noch ungläubig dazu rennen). 


alpendohlen rufen und kreisen über unseren köpfen, landen in den steilen felsenwänden.




am überraschendsten war mit sicherheit der ausruf des kleinen begleiters: papa, da ist ein murmeltier! und obwohl er noch nie zuvor eines lebend gesehen hatte, hatte er recht. da war eine ganze gruppe vor dem höhleneingang, knabberte an gräsern und aneinander.
das war eine belohnung nach beinah zwei stunden klettern.


Sonntag, 12. Oktober 2014

tiergarten

der tiergarten ist ein garten und kein wald. obwohl ich wenig so vermisse an täglichem wie die radstrecke durch diesen künstlichen wald mit geschichte. einmal habe ich zu semesterzeiten über den tiergarten als ordnungssystem gesprochen. denn ein wald folgt seinen eigenen regeln, die von besuchern, försterinnen und anderem menschlichen zwar umgrenzt, überschritten und begriffen sein möchten. der tiergarten unterliegt den menschlichen ordnungskriterien. 
was ihn nur ein klein wenig weniger zur erholungsinsel in der stadt macht.



wenn auf einmal die vision von "wilden tieren" wie ein duft real in die nase steigt, kann sogar die baumgruppe im tiergarten zum "grossen wald" werden.



und wenn wir im tiergarten genügend spuren - ordnungsspuren - von "wilden tieren" gefunden haben, ändern wir unsere blickrichtung und bauen waldhütten für winzlinge. und dann wird die baumgruppe zum fundort von allerlei, was winzlinge brauchen. kaffeemaschinen, also, eichelhütchen zum beispiel.


Samstag, 4. Oktober 2014

wasserreise: vale maggia (I)











ich erinner mich jetzt an die farben im vale bavona. und an die luft, da oben auf fast 2000 metern, eine luft mit raum drin, mit leerräumen, und die lunge saugt sich voll. an die drei munter strickenden damen in foroglio und die polenta, die wir dort nicht gegessen haben (mist). dass in foroglio und all den folgenden weilern vor dem auftieg nach robiei, in diesen vielfach verlassenen steinhäusern, die sich an die felsen drängen vor den saftigen fetzen weideland, dass da biographien schlummern, in die mensch sich vertiefen könnte, oder noch besser: die mensch kennen lernen könnte, am besten bei einem topf marroni, das streifte mich kurz an den fingerspitzen. nämlich in dem buch der eigenes im dorf gegründeten agenzia kay: der geruch der erloschenen glut. "weil wir unsere eigene geschichte selber erzählen wollen." aber dann bin ich weiter gegangen und hab jetzt lauter angefangene, innere bilderschätze. zum wieder hingehn.